Ordnungsruf vom 30.03.2022 aller Voraussicht nach rechtswidrig
In seiner Eigenschaft als Bezirksverordneter in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Spandau hat der AfD-Fraktionsvorsitzende Andreas Otti gegen die BVV-Vorsteherin Ina Bittroff (SPD) einen kommunalen Verfassungsstreit beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht. Anlass ist die Rüge in Form eines Ordnungsrufs der BVV-Vorsteherin, den diese dem Bezirksverordneten am 30.03.2022 erteilt hatte. Dieser hatte formuliert, dass die derzeitigen Personen aus der Ukraine, die nach Deutschland kommen, die „wirklichen Kriegsflüchtlinge“ darstellten. Die SPD-Politikerin als Sitzungsleiterin sah in dieser Äußerung allen Ernstes einen Verstoß gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.
Eine rechtliche Prüfung hat ergeben, dass der Ordnungsruf aller Voraussicht nach rechtswidrig ist. Die Einstufung dieser Äußerung als Verstoß gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung sei rechtlich unhaltbar. Auch ist völlig unklar, wie diese Äußerung die Funktionsfähigkeit oder die Ordnung in der besagten Sitzung konkret gefährdet haben soll. Die Maßregelung der SPD-Sitzungsleiterin hat die objektive Wirkung, eine ganz bestimmte Auffassung aus dem politisch-parlamentarischen Diskurs zu verbannen und auszugrenzen. Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage ist es befremdlich, dass die deutliche Mehrheit der Bezirksverordneten den Einspruch nach § 54 GO im Ergebnis gebilligt haben. Es handelt sich insoweit ersichtlich ganz überwiegend um ein rein politisches Votum der Bezirksverordnetenversammlung. Andreas Otti: „Auch um künftig solche rein politischen Voten zu verhindern und um eine juristische Prüfung, wie von der Geschäftsordnung gefordert, künftig bei Einsprüchen gegen Ordnungsmaßnahmen wieder zu gewährleisten, habe ich mich zur Klage entschlossen. Darüber hinaus verurteilen wir deutlich die juristische Alibi-Begründung der SPD-Sitzungsleiterin und wollen durch die Klage erreichen, dass in der Bezirksverordnetenversammlung wieder ein breites Meinungsspektrum zu allen Fragen ungestört geäußert werden darf.“
Ob auch die Nichtweiterleitung der schriftlichen Einspruchsbegründung durch die BVV-Sitzungsleiterin ebenfalls angefochten werden wird, wird demnächst entschieden werden. Dieser Fehler, den die BVV-Sitzungsleiterin am 18.05.2022 nur peinlich berührt eingestanden, aber bis heute nicht ansatzweise plausibel begründet hat, hat es der Bezirksverordnetenversammlung zumindest deutlich erschwert, durch die jeweils eigenen Juristen in der Fraktion im Vorfeld eine Beurteilung einzuholen. Dieser Mangel konnte auch durch das schriftliche Verlesen der Einspruchsbegründung ohne anschließende Debatte und Aussprache jedenfalls nicht vollständig geheilt werden. Die Klage wurde am 07.06.2022 beim Verwaltungsgericht eingereicht. Über den weiteren Verlauf des Verfahrens wird berichtet werden.